Seit den 1950ern wuchs in Europa eine neue Friedensbewegung heran – als Antwort auf eine zunehmende nukleare Bedrohung. Die Ostermärsche fanden jährlich statt, um gegen die atomare Aufrüstung der NATO und des Warschauer Pakts zu protestieren. Ab 1979 spitzten sich neue Aufrüstungspläne zu. Parallel gewann auch die Friedensbewegung länderübergreifend an Zustimmung. In dieser eskalierenden politischen Auseinandersetzung zwischen Ost und West sollte eine Raumstation der NASA der westlichen Nationen ein Zeichen der friedlichen Zusammenarbeit, aber auch des technologischen Fortschritts sein.

Vom Wintersemester 1982 bis zum Sommersemester 1984 war der Aktivist und Fluxus-Künstler Robert Filliou Gastprofessor an der Kunsthochschule in Hamburg. Im Kontext der gesellschaftlichen und politischen Umbrüche dieser Zeit initiierte er dort mit den Studierenden das Artist-in-Space-Projekt, bei dem das Thema Weltraumsicherheit im Fokus stand. Gemeinsam simulierten sie Trainingsprogramme und besuchten das Europäische Satellitenkontrollzentrum ESOC (European Space Operations Centre) in Darmstadt. Als Weiterführung des Projektes entstanden erste Ideen zur Biennale des Friedens. Diese wurde unter der zentralen Frage „Was ist Frieden?“ von Dozent*innen und engagierten Student*innen, die sich zur Artists-In-Space / Art-of-Peace Biennale Study Group zusammengeschlossen hatten, kollaborativ entwickelt. Die Überwindung der binären Denkweise von Krieg und Frieden stand im Mittelpunkt der Biennale, die Frieden nicht als Abwesenheit von Konflikt, sondern als aktiven, kreativen Prozess thematisierte. Denn Krieg und Ungerechtigkeit zu bekämpfen, schafft nicht automatisch Frieden und Gerechtigkeit. Dementsprechend sollten Inhalte der Biennale des Friedens nicht Antikriegsszenarien, Gewalt und Horror sein. Ziel war es, durch Klang, Gestalt und Gefühl explizit dem Frieden eine Form zu geben.

Fillious künstlerische Praxis zeichnete sich durch Kollaborationen, Spontanität sowie Spiritualität aus, wobei für ihn Kunst und Alltag fließend ineinander übergingen. So sollte die Biennale des Friedens Kunst, Wissenschaft, und Weisheit als Gesamtkunstwerk zu einer neuen Authentizität zusammenführen. Dadurch trug sie dazu bei, das Bewusstsein für die fragilen Bedingungen des Friedens und die Bedeutung der Kunst als Werkzeug für gesellschaftliche Veränderung zu schärfen. Durch einen tausendfach gedruckten und verteilten Aufruf waren Künstler*innen weltweit eingeladen, sich mit dem Frieden als Zustand, Wunsch und Utopie für das kommende Weltraumzeitalter auseinanderzusetzen. Künstler*innen aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen Hintergründen brachten ihre Perspektiven und Visionen ein. Aus über 600 künstlerischen Vorschlägen wählte das Kuratorium – bestehend aus Anne Berning, KP Brehmer, Herbert Hossmann, Georg Jappe, Siegfried J. Schmidt, Louwrien Wijers und Emmett Williams – 391 Künstler*innen aus 33 Ländern aus. René Block übernahm die künstlerische Leitung und Organisation der Biennale, die vom 1. Dezember 1985 bis zum 12. Januar 1986 im Kunsthaus Hamburg und Kunstverein in Hamburg stattfand. Die Ausstellungsräume wurden zu Orten des politischen Dialogs: Etwa 150 Künstler*innen wurden ausgewählt, sich mit Zeichnungen, Skulpturen und Installationen zu beteiligen. Weitere 150 nahmen in Form von Mail Art teil, die in Vitrinen gezeigt wurde und an Lesepulten einsehbar war. Circa 100 weitere, nicht realisierte Vorschläge fanden Eingang in die Präsentation. Unter den Teilnehmer*innen waren unter anderem Marina Abramovic und Ulay, Carl Andre, John Armleder, Christian Boltanski, Daniel Buren, James Lee Byars, John Cage, Miriam Cahn, Christo, Hanne Darboven, Allan Kaprow, On Kawara, Astrid Klein, Olaf Metzel, Keith Sonnier, Thomas Schütte, Wolf Vostell, Franz Erhard Walther sowie Lawrence Weiner.

Die groß angelegte, interdisziplinäre Ausstellung vereinte verschiedenste künstlerische Ausdrucksformen und vernetzte internationale Künstler*innen, Aktivist*innen und Intellektuelle. Sie wurde zu einem lebendigen Raum des Austauschs, der das Potenzial der Kunst nutzte, um Verbindungen zwischen Individuen und Gemeinschaften zu schaffen. So zielten viele der ausgewählten Werke darauf ab, das Publikum aktiv einzubeziehen. Sol Lewitts Wandzeichnung, bei der jede*r innerhalb eines zwei Meter großen Kreises eine ununterbrochene, ungerade abstrakte Linie zeichnen konnte, ist ein Beispiel dafür. Die Biennale bot nicht nur eine Bühne für Kunst, sondern auch einen Raum für kollektive Reflexionen, Diskussionen, Vorträge und Performances. Am 29. November 1985 fand in der Aula der Kunsthochschule das Simultankonzert an drei Klavieren von den Künstlern Joseph Beuys und Nam June Paik sowie dem Komponisten Henning Christiansen statt. Bei der Eröffnung im Kunsthaus Hamburg und dem Kunstverein in Hamburg hielt der Dichter, Performancekünstler und Mitbegründer der Fluxus-Bewegung Emmett Williams eine Rede. Zu dem Zeitpunkt hatte sich der Initiator Robert Filliou bereits für drei Jahre, drei Monate und drei Tage in das buddhistische Kloster Chanteloube an der Dordogne in Frankreich zurückgezogen, wo er 1987 starb.

Im Gegensatz zu anderen Biennalen, die als internationale Großereignisse im zweijährigen Rhythmus üblicherweise für dieselbe Stadt konzipiert sind, sollte die Biennale des Friedens eine Ausstellung mit wechselndem Standort sein. Nachfolgeveranstaltungen waren in Paris, Oslo, London, Amsterdam und Bern geplant. Die Umsetzung weiterer Editionen erfolgte aber nicht mehr. Die Idee der Wanderschaft findet sich jedoch ab 1996 z. B. bei der Manifesta. Fillious Konzept, Kunst als Mittel zur Förderung des Dialogs über Frieden und Gerechtigkeit zu verstehen, ist heute relevanter denn je. Die Biennale des Friedens war ein außergewöhnliches Projekt, das künstlerische Freiheit und politisches Engagement vereinte. In einer Zeit atomarer Bedrohung und politischer Spannungen diente sie als Plattform für den Ausdruck von Hoffnung auf eine friedliche Zukunft und alternative Gesellschaftsmodelle. Besonders bemerkenswert war die Art und Weise, wie Kunst, Politik und Aktivismus miteinander verwoben wurden, um eine Vision von Frieden zu fördern, die über bloße Rhetorik hinausging und konkrete Handlungsmöglichkeiten aufzeigte. Die Biennale bleibt ein historisch bedeutendes Beispiel dafür, wie Kunst gesellschaftliche Veränderung vorantreiben kann. In einer Welt, die von Konflikten und Krieg geprägt ist, erinnert sie uns daran, dass kreative Ausdrucksformen, Dialog und das Miteinander unerlässlich sind, um den Weg zu einem nachhaltigen Frieden zu ebnen.