Ewige Netzwerke

„Dem Frieden eine Form geben“ titelte das Flugblatt, mit dem Künstler*innen im Vorfeld der Biennale des Friedens zur Einreichung von Mail-Art-Beiträgen aufgerufen wurden. Die Form, von der hier gesprochen wird, sollte eine affirmative sein: „Wofür sind wir?“, fragte der Fluxus-Künstler Robert Filliou in seinem zugehörigen Manifest, nicht „wogegen?“.

Zahlreiche Personen folgten dem Aufruf, sodass schlussendlich 150 Einsendungen ausgewählt und in Vitrinen, in Ordnern auf Lesepulten und an den Wänden des Kunsthaus Hamburg ausgestellt wurden: Vertreten waren neben Hamburger Positionen, wie etwa Barbara und Gabriele Schmidt-Heins, auch der uruguayische Mail-Art-Pionier Clemente Padin sowie Robert Rehfeldt und Ruth Wolf-Rehfeldt, die maßgeblich an der Entwicklung der Mail-Art-Szene in der DDR beteiligt waren. Andrea Tippel schickte das Werk 9 Postkarten und On Kawara vier Telegramme seiner Serie I am Still Alive.

Die Mail Art entstand in den 1960er Jahren und beschreibt postalisch versendete Kunst unterschiedlicher Medien, wobei der dialogische und egalitäre Austausch jenseits etablierter (Kunst-)Systeme zentral ist: „The network is everlasting“ – „Das Netzwerk wird es ewig geben,“ schrieben Robert Filliou und George Brecht bereits 1967.1 Ganz im Sinne der Fluxus-Bewegung war diese prädigitale Netzwerkidee eine metaphorische und bezog sich eher auf alltägliche Erfahrungen im Sinne einer fluiden, global vernetzten und kollaborativ agierenden Gemeinschaft als auf eine konkrete Kunstpraxis. In der Mail Art aber fand dieses soziale Konzept auch eine künstlerisch-praktische Umsetzung. Das Postsystem, das im Laufe der Zeit durch andere Kommunikationskanäle ergänzt wurde, bildet hier die logistische und formale Grundlage einer explizit prozessorientierten, lebensnahen künstlerischen Praxis, in der Gemeinschaft und Austausch von größerer Bedeutung sind als die daraus entstehenden Werke selbst.

Politics of Love setzt ein inklusives, vielstimmiges Miteinander an die Stelle von Grenzziehungen und Machtkonflikten und sucht dabei auch gezielt nach Beispielen für alternative Formen der Vernetzung und des gemeinschaftlichen Handelns. Als gleichermaßen lokal und global gedachter partizipatorischer Ansatz, der auf den Idealen von Multiperspektivität, Diskurs und Kollektivität basiert, vereint die Mail Art somit konzeptuell, ästhetisch und praktisch verschiedene Aspekte, die im Kontext der Ausstellung relevant sind.

Ebenfalls mit einem Open Call schließt Politics of Love deshalb an diese besondere Aktion der Biennale des Friedens an und holt sie damit in die Gegenwart. Unter der Fragestellung „Was ist eine Politik der Liebe?“ wurden professionell arbeitende Künstler*innen und Lai*innen eingeladen, ein Mail-Art-Kunstwerk im Postkartenformat frei zu gestalten. Die eingesendeten Arbeiten sind während der Ausstellungslaufzeit im Kunsthaus einsehbar. Ausgewählte Exemplare sind außerdem hier dokumentiert.