Mit einem „Aufruf, die drei Stränge – KUNST, WISSENSCHAFT und WEISHEIT – wieder zusammenzuführen zu einer neuen Authentizität“, startete 1985 auf Initiative des französischen Fluxus-Künstlers Robert Filliou im Kunsthaus Hamburg und Hamburger Kunstverein die Biennale des Friedens. Das Konzept zu einem konzertierten Kunstereignis im Namen des Friedens entstand während Fillious Lehrtätigkeit an der Hamburger Hochschule für bildende Künste 1983/84 gemeinsam mit Student*innen und Dozent*innen. Unter dem Motto: „Frieden ist eine Kunst, keine abstrakte Vorstellung“ wurden Künstler*innen weltweit eingeladen, „ihre individuellen Beiträge zu diesem kollektiven Vorhaben“ zu entwickeln, wie von Filliou im Biennale-Katalog skizziert: Perspektiven für einen gemeinschaftlich geschaffenen Frieden als „Alternative zum Verhängnis“ der Brutalität des Kriegs.2

40 Jahre später nimmt in einer Zeit verstärkter globaler Krisen mit Kriegsgewalt, humanitärer Not und ökologischen Katastrophen indes die Tendenz zu nationaler und individueller Abschottung und Isolation zu. Dabei schwinden essenzielle Zukunftsvisionen für gemeinsame Lösungsansätze und Aktionsbündnisse, aus denen neue Konzepte für Vernetzungen und Formen gegenseitiger Teilhabe erwachsen können. „Wir alle sind gegen Krieg. Aber wofür sind wir? Für den Frieden, sagen wir. Aber was ist Frieden?“3 In unserer transnationalen Situation wachsender Konflikte und Kriegsgefahr stellen wir uns aufs Neue Fillious Fragen. Eine gesellschaftlich engagierte, von Vielfalt getragene „Politik der Liebe“, wie sie Philosoph und Literaturtheoretiker Michael Hardt definierte, ist heute aktueller denn je. Auf Grundlage einer „Physik von Multiplizitäten“4 operiert diese Praxis der Liebe jenseits von ökonomisch gesteuerten Formen der Kontrolle und Machtbehauptung.

Liebe ist eine treibende Kraft unseres Daseins, die sich auch auf unsere kollektiven Interaktionen auswirkt. Trotz ihrer Kommerzialisierung und Entleerung durch die globalen Mechanismen des Konsums bewahrt sie ihr transformatives Potenzial. Die internationale Gruppenausstellung Politics of Love wirft einen Fokus auf ein inklusives, vielstimmiges Bonding, das ein mannigfaltiges „Wir“ an die Stelle individueller Abspaltung setzt und eine produktive, kollektive Potenzierung von Unterschieden hervorbringt. Die Ausstellung setzt sich mit dem Wechselspiel zwischen Nähe und Distanz, Kreation und Disruption ebenso auseinander wie mit Formen der Intimität, des Gemeinwohls und der multiperspektivischen Erfahrungsfülle als Basis für ein solidarisches Zusammensein in Diversität. Einzelpositionen junger und etablierter internationaler Künstler*innen begegnen darin Rückblicken auf partizipatorische Projekte, die den Begriff der Commons mit Leben erfüllt und kollektive Praktiken und Prozesse umgesetzt haben. Ein wesentlicher thematischer Strang der Ausstellung ist die Frage nach den gesellschaftlichen Perspektiven, die eine „Politik der Liebe“ im Sinne einer Leidenschaft für das, was uns – in unseren Differenzen und Multiplizitäten – verbindet, eröffnet: als wahrnehmungs-, gedanken- und herzerweiternde Dynamik der Aufgeschlossenheit, Empathie und Zuneigung, die uns in der Vielgestaltigkeit unserer jeweiligen Eigen- und Andersartigkeiten zukunfts- und sinnstiftend zusammenbringt.

Kuratiert von Dr. Belinda Grace Gardner und Anna Nowak

Ausstellungsdauer: 30.11.2024–2.2.2025

Teilnehmende Künstler*innen: Mounira Al Solh, Francis Alÿs, Isaac Chong Wai, Anna Ehrenstein, Amna Elhassan, FAIRY BOT (Jon Frickey, Thies Mynther, Sandra Trostel), Robert Filliou, Parastou Forouhar, Green Go Home (Rirkrit Tiravanija & Tomas Vu), Johan Grimonprez, Elza Gubanova & Leon Seidel, Shilpa Gupta, Monilola Olayemi Ilupeju, Soyon Jung, Hiwa K, Rebecca Katusiime & Emmanuel Oloya, Tilman Küntzel, Lulu MacDonald, Nicholas Odhiambo Mboya, Sabine Mohr, Dan Peterman, Frieda Toranzo Jaeger, Wolf Vostell